Keine Klimaneutralität im Gebäude ohne Innovationen im Lebensraum Bad – dieses Motto haben sich die Sanitärindustrie und Gebäudetechnikbranche auf die Fahne geschrieben. Mit nachhaltigen Ansätzen im Bereich Design, Materialwahl sowie Kreislaufwirtschaft lassen sich CO2-Emissionen senken und Klimaschutz fördern.
Dafür will die Sanitärindustrie künftig an einem Strang ziehen, gesellschaftliche Herausforderungen gemeinsam angehen und ihren Positionen gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Verbandslandschaft mehr Gehör verschaffen. Vor allem sieht sich die Branche als Ermöglicher des Klimaschutzes im Gebäude und will diesen Anspruch stärker im Bewusstsein von Politik und gesellschaftlichen Stakeholdern verankern.
Gründungsversammlung des neuen Industrieverbunds
Vor diesem Hintergrund fand am 16. November 2023 in Berlin die Gründungsversammlung des neuen Industrieverbunds VDMA Sanitärtechnik und -design statt. In diesem Rahmen wurde Thilo Pahl, Geschäftsführender Gesellschafter von Bette, zum Vorsitzenden des Industrieverbundes gewählt. Stellvertretende Vorsitzende sind Dirk Gellisch, Geschäftsführer Viega Holding und Frank Wiehmeier, Geschäftsführer Hansgrohe Deutschland Vertriebs GmbH. Die Geschäftsführung übernimmt Dr. Laura Dorfer, Geschäftsführerin des VDMA Fachverbands Armaturen.
Zu den Gründungsmitgliedern des neuen Sanitärverbunds zählen 20 renommierte Hersteller von Armaturen und Brausen, Sanitärobjekten wie Badewannen und Duschflächen, über Badmöbel, Spiegelschränke und Waschtische bis hin zur Duschabtrennung sowie Installationskomponenten für das Bad:
- Bette
- Dallmer
- Dornbracht
- Emco Bad
- Franz Joseph Schütte
- Geberit
- Gebr. Kemper
- Hansgrohe
- Herz Armaturen
- Hewi
- Kaldewei
- Kermi
- Keuco
- Kludi
- KWC Aquarotter
- Mepa
- Schedel
- Schell
- Vernet
- Viega
Die Arbeitsgemeinschaft VDMA Sanitärtechnik und -design steht für einen Industriezweig, der in Deutschland knapp 150 Firmen mit rund 43.000 Beschäftigten zählt und einen Umsatz von rund 9 Milliarden Euro erwirtschaftet.
„Als europäische Sanitärindustrie und Installationstechnikbranche sind wir Wertschöpfungstreiber und tragen mit unseren Produkten weltweit zu Innovation, Komfort und Fortschritt bei“, betont Thilo Pahl. „Um dies auch künftig zu leisten, benötigen wir ein politisches und regulatorisches Umfeld, das uns den Raum hierfür gibt.“ Es sei daher an der Zeit, in der Sanitärbranche mit einer Stimme zu sprechen. „Mit dem VDMA an unserer Seite haben wir den richtigen Partner gefunden, der uns dabei unterstützt, von Anfang an eine entsprechende Durchschlagskraft zu erzielen.“
CO2-Fußabdruck im Badezimmer senken
Noch werde das Potenzial von intelligenter Badgestaltung für Energieeffizienz und Klimaneutralität im Gebäude von der Politik unterschätzt und von der Öffentlichkeit weitgehend übersehen. Studien belegen jedoch den Effekt, den nachhaltige Sanitärobjekte und -installationen auf die Einsparung von Energie und somit von CO2-Emissionen haben können. Laut der Hansgrohe-Analyse „Auf dem Weg zum grünen Bad“ kann beispielsweise allein die Verwendung einer Wassersparbrause den CO2-Fußabdruck des Badezimmers um 14 Prozent senken.
„Trinkwarmwasser ist bereits heute der zweitgrößte Posten im Gebäudeenergieverbrauch mit zunehmendem Anteil, insbesondere für hocheffiziente Gebäude“, hebt Dirk Gellisch hervor. „Entsprechend bedeutend ist dieser Hebel zur Energieeinsparung in den Gebäuden von morgen. In unserem neuen Branchenverband haben wir uns daher auf die Fahnen geschrieben, ein größeres Bewusstsein für den Beitrag unserer Industrie zu mehr Nachhaltigkeit im Gebäude zu schaffen.“
Ein wesentliches Ziel des Zusammenschlusses sei außerdem, im Austausch mit Politik und Gesellschaft Themen wie Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft im Einklang mit Standortsicherung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Sanitärbranche voranzutreiben, ergänzt Frank Wiehmeier die Beweggründe. „Als relevanter Industriezweig wollen wir fähig bleiben, weltweit Maßstäbe für Nachhaltigkeit, Qualität und Design zu setzen.“
Wirtschaftliche Lage drückt auf Geschäft mit Gebäudearmaturen
Wirtschaftlich ist die Situation der Gebäudearmaturenindustrie in Deutschland nach Zahlen des VDMA derzeit alles andere als rosig. Schon im September hatten die Hersteller mit Blick auf das erste Halbjahr einen Umsatzrückgang von nominal 5 Prozent gemeldet (preisbereinigt ein Rückgang von 14 %); für das Gesamtjahr 2023 rechnete der VDMA Armaturen mit einem nominalen Umsatzrückgang von 7 Prozent. Einzig das Segment Heizungsarmaturen war im ersten Halbjahr 2023 noch gut unterwegs. Die Umsätze kletterten insgesamt um 16 Prozent und konnten dabei sowohl im Inland (plus 13 Prozent) als auch im Ausland (plus 20 Prozent) wachsen. Real kommt dies einem Plus von 4 Prozent gleich.
Deutlich schlechter war die Lage im ersten Halbjahr 2023 dagegen bei Sanitärarmaturen vor und hinter der Wand. Der Umsatz bei Sanitärarmaturen vor der Wand ließ um 8 Prozent nach und ging dabei im Inland (minus 10 Prozent) und Ausland (minus 7 Prozent) deutlich zurück. Preisbereinigt entsprach dies einem Minus von 18 Prozent. Bei Technischen Gebäudearmaturen stagnierte das Inlandsgeschäft, im Ausland schrumpfte der Umsatz um 6 Prozent. Insgesamt kam der Industriezweig damit auf ein nominales Minus von 2 Prozent. Preisbereinigt entspricht dies einem Rückgang von 12 Prozent.
Schwierige Situation vor allem im Sanitärbereich
Die schwierige Situation im Sanitärbereich bestätigte auch im Wesentlichen eine Umfrage, die im Auftrag des VDMA des Markforschungsunternehmens Heinze unter mehr als 100 Betrieben durchgeführt und bei der Gründungsversammlung des Industrieverbunds VDMA Sanitärtechnik und -design in Berlin vorgestellt wurde. Für den Heizungssektor zeichnete sich dort ein positiveres Bild ab, das allerdings in der Diskussion angesichts der eher kleinen Zahl der Befragten eher als begrenztes Stimmungsbild denn als Abbild der Branchen-Gesamtsituation bewertet wurde.
So hatte Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer ZVSHK, schon zuvor in seinem Grußwort darauf verwiesen, dass die Bürger verunsichert seien und sich mit vermeidbaren Investitionen zurückhalten. Laut einer gerade durchgeführten Herbstumfrage laufe derzeit nur noch das Service-Geschäft gut. Aber es gebe Anlass zur Hoffnung, da beispielsweise die aufgrund der Demografie die ambulante Versorgung in eigenen Räumlichkeiten und damit das Bad in Fokus rücke. Statt derzeit 1,2 Mio. Bäder pro Jahr müsste man aber eigentlich 2 Mio. pro Jahr sanieren, um mit der Alterung der Gesellschaft Schritt zu halten.
Helmut Bramann sah jedoch auch Grund zur Hoffnung, und unterstrich: Man komme nicht zum Lamentieren zusammen, sondern um gemeinsam nach vorne zu gehen. Auch für die Messe Frankfurt begrüßte Geschäftsleiterin Iris Jeglitza-Moshage die Gründung des Industrieverbunds, der ebenfalls der seit über 60 Jahren veranstalteten Verbundmesse ISH durch eine Partnerschaft neue Impuls geben könne.
Dass die Gründung eines solchen Industrieverbunds ein eher seltener und daher bedeutender Meilenstein ist, hatte zuvor Dr. Hans Henning von der DG Haustechnik hevorgehoben – immerhin hatte der Vertreter des Großhandels in seinen 27 Jahren als Hauptgeschäftsführer Verbandsgeschäftsführer, aber noch nie Anlass für ein Grußwort zu einer vergleichbaren Gründung gehabt.
Kritische und gute Nachrichten aus der Politik
In der anschließenden Diskussion bei der Gründungsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft VDMA Sanitärtechnik und -design war Bernhard Daldrup, Obmann des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion, Hauptadressat für Fragen aus dem Publikum – als einziger anwesender Politiker und besonders am Tag nach der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Nachtragshaushaltsgesetz 2021, das die Ampelregierung insbesondere in der Energie- und Klimapolitik zum Umsteuern zwingt, weil ein Kredit in Höhe von 60 Milliarden Euro nicht für den „Energie- und Klimafonds“ (EKF) genutzt werden kann, eine „kritische Nachricht“, wie Bernhard Daldrup zugeben musste, die ihre Auswirkungen haben werde. In seinem Grußwort hatte der SPD-Politiker zuvor auf die aus seiner Sicht gute Nachricht verwiesen, dass der Bundestag am Tag danach (17. November 2023) den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze beschließen werde und damit Planungssicherheit für Kommunen schaffe.
In seinem Vortrag zu den Megatrends verwies abschließend Christian Böllhoff, CEO und geschäftsführender Gesellschafter von Prognos, darauf, dass der Fachkräftemangel eher zunehmen werde. Gegenüber 2022 könnten Anfang der 2030er-Jahre rund 11.000 Arbeitskräfte in der SHK-Branche fehlen. Er forderte daher, die Fachkräfteeinwanderung zu erleichtern und ermunterte die Unternehmen, die Attraktivität der Ausbildungsberufe steigern sowie sich für digitale Technologien zu öffnen, um die Produktivität zu erhöhen.
Dr. Karlhorst Klotz, Redaktion SHT