Die Tagung beleuchtete den fundamentalen Umbau der Struktur der heutigen Energieversorgung.
Das Energiesystem wandelt sich. Um Klimazielen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Faktoren gleichermaßen gerecht zu werden, muss die Energienutzung in allen Bereichen effizienter werden. Während beim Strom die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen nach Plan läuft, hinken die Sektoren Wärme, Verkehr, Chemiegrundstoffe hinterher. Ausgehend vom Rohstoff Strom zeigte die im November 2015 von Fraunhofer UMSICHT und dem Cluster EnergieForschung.NRW der EnergieAgentur.NRW veranstaltete Tagung »Energie im Wandel« Perspektiven für die Energieversorgung auf.
Seit Einführung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 wächst in Deutschland der Anteil der erneuerbaren Energiequellen am Strommix kontinuierlich. 2013 lag er bei rund 24 Prozent. 2015 wird er auf gut 27 Prozent prognostiziert. Windkraft und Photovoltaik haben die größten Ausbaupotenziale. Biomasse, speziell Biogas befindet sich in der Sättigung. Wasserkraft hat keinen Zuwachs.
Tagungsresümee: Der Stromsektor ist richtungsweisend. Wind- und Solarenergie haben bei den erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle.
Soll die von der Bundesregierung angestrebte Energiewende und die Umstellung auf eine weitgehend decarbonisierte Energieversorgung gelingen, muss in allen Bereichen der Energieversorgung eine beträchtliche Umbaudynamik angestoßen werden, wie sie bisher im Segment der Stromerzeugung aus Erneuerbaren aufgetreten ist. Doch bisher gibt es nur für Strom konkrete Zielvorgaben der Bundesregierung, die für den Verkehrs- und den Wärmesektor lassen sich nur indirekt aus den Gesamtzielen ableiten. Die Industrien mit den energieintensiven Branchen Chemie und Metallurgie werden bisher nicht berücksichtigt. Dabei zeigt die Gesamtenergiebilanz, wo der größte Handlungsdruck liegt. Während Strom (612 TWh) und Verkehr (722 TWh) einen ähnlich hohen Energiebedarf haben, macht der Wärmesektor (1320 TWh) den größten Posten aus, er benötigt so viel Energie wie Verkehr und Strom zusammen.
Tagungsresümee: Das Energiesystem muss über alle Sektoren optimiert werden. Wärme ist dabei der größte Posten.
Mit Abschaltung der Kernkraftwerke entwickelt sich Deutschland wider Erwarten nicht zum Stromimportland. Bilanziell betrachtet exportiert Deutschland Strom an seine Nachbarländer. Mittelfristig wird durch die Energiewende und die wetterabhängige dezentrale Stromerzeugung in Deutschland mehr strombasierte Energie verfügbar sein. Die jährlichen Stromüberschüsse werden im Terawattstunden-Bereich prognostiziert. Die Stromspitzen selbst sind volatil, d. h. die Strommenge schwankt zeitlich und räumlich. Wichtig wird es sein, stabile Strombänder bereitzustellen, die mindestens 4000 bis 6000 Stunden im Jahr vorhanden sind, um Anlagen stromgeführt betreiben zu können. Energiespeicher, elektrische wie thermische, müssen künftig über ein eingekoppeltes Demand-Side-Management für den Netzausgleich sorgen, um den hohen Flexibilisierungsgrad in der Stromerzeugung und Stromverwendung zu gewährleisten, den die neue Zusammensetzung der Energieerzeuger erfordert. Den vielfältigen technischen Möglichkeiten, die Anbieter von Demand-Side-Management haben, um über Lastverschiebung die Nachfrage nach netzgebundenen Dienstleistungen bei Abnehmern in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten zu steuern, stehen in Deutschland komplexe rechtliche Rahmenbedingungen entgegen. Sie gilt es zu vereinfachen.
Tagungsresümee: Rechtliche Rahmenbedingungen müssen vereinfacht werden, um die vielfältigen Flexibilitätsoptionen für den Netzausgleich in Deutschland nutzbar zu machen.
Prognosen für die Jahre 2030 und 2050 zeigen, dass Strommangelsituationen im Vergleich zu Stromüberschusssituationen gering sind. Um hoch volatile Stromüberschüsse mit sehr hohen Leistungsspitzen, die für sehr wenig Stunden im Jahr bereitstehen, sinnvoll zu nutzen, sind möglichst kostengünstige Technologien erforderlich. Hier kommen Power-to-X-Technologien ins Spiel, die Strom (power) in die anderen Sektoren der Energieversorgung (X) bringen und zur Harmonisierung der Energieversorgung beitragen. Die Power-to-X-Technologien haben sehr unterschiedliche Entwicklungsreifen, wie der Blick auf die Technologiefelder zeigte, die in ihrer Breite beleuchtet wurden. Obwohl Power-to-Heat, die Umwandlung von Strom in Wärme, eine extrem anwendungsnahe, einfache, über Nachtspeicherheizung und Wärmepumpen marktverfügbare Technik ist, gibt es bisher kaum Umsetzungsprojekte, da geeignete Business Cases fehlen. Beim Themenfeld Power-to-Products werden aus Strom speicherfähige synthetische Energieträger (Chemiegrundstoffe, Gas, Kraftstoffe, Wasserstoff etc.) hergestellt, die in unterschiedlicher Form im Energie- und Produktionssystem genutzt werden können. Obwohl es erste Anwendungen gibt, besteht auch hier Optimierungsbedarf: So arbeiten Grundlagenforscher daran, Katalysatoren mit besseren Wirkungsgraden zu entwickeln, um grundlegendes Optimierungspotenzial zu heben. Tagungsresümee: Power-to-X-Technologien sind unabdingbar für die Vernetzung des Energie- und Produktionssystems.
»Uns war es wichtig, den fundamentalen Umbau der Struktur der heutigen Energieversorgung in seiner Breite zu beleuchten und die Akteure rund um Anwendung, Industrie, Anlagenbau, Entwicklung und Grundlagenforschung zusammenzuführen. Deshalb haben wir die Vorträge bewusst vermischt angeboten, um einen Gesamteindruck zu vermitteln. Nur durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Technologien und Blickwinkel werden wir den Anforderungen gerecht, die die Energiewende mit sich bringt«, fasst Prof. Christian Doetsch die Motivation der Tagung zusammen.
www.umsicht.fraunhofer.de
Auf dem Podium wurde über Chancen, Potenziale sowie Risiken von Power-to-X-Technologien diskutiert.