Rund um das Thema Wärmepumpe gibt es viel Informationsbedarf – auch und erst recht bei Handwerkern. Der SHK-Fachgroßhändler Reisser hat daher einen „Energie Campus“ ins Leben gerufen, ein voll funktionsfähiger Warmschulungsraum, in dem sich Installateure und Heizungsbauer an Geräten im laufenden Betrieb fortbilden können. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Bei den Schulungen wird vor allem praktisches Know-how vermittelt, was bei den Teilnehmern nach Angaben des Unternehmens gut ankommt.
Auf dem Tisch sind allerlei Materialien ausgebreitet: Sicherheitsventile, automatisches Schnellentlüfterset mit Absperrventil, Stellantrieb 230 V, Neutralisationsbox mit Rückspüleinrichtung, Ventilarmatur Design 4 in 1, Magnetit-Schlammabscheider. Auf dem Heizkörper wurden die weißen Boxen der drehbaren Luftabscheider in einer Reihe drapiert. An der Wand lehnt ein riesiger Karton mit der Aufschrift „Wärmepumpen Anschlusspaket mit 2 Gummiendkappen und 4 Klemmverschraubungen“. Ein großes schwarzes Rohr quillt heraus, rote Tütchen mit Klemmübergängen liegen darauf.
Das Rüstzeug ist nach Unternehmensangaben nur ein Teil der Schulung im Energie Campus. In der Tübinger Betriebsstätte von Reisser könne Heiztechnik live erlebt und getestet werden. Nach dem Motto „Wissen ist gut – Anwendung ist besser“ drehe sich alles um das Thema Wärmepumpe.
Erst Heizungsbau mit Gas, jetzt Wärmepumpen
Zur Schulung haben sich an diesem Tag elf Teilnehmer eingefunden, darunter auch Rolf Schöll. In dritter Generation kümmert er sich um den Betrieb in Tübingen-Hagenloch, der sich seit 85 Jahren auf Sanitär, Flaschnerei und Heizungsbau spezialisiert hat. „Bisher hatte ich Gas im Fokus, mit der Wärmepumpe tue ich mich noch etwas schwer“, sagt der Geschäftsführer der Schöll GmbH. „Gerade die physikalischen Grundlagen sind eine Weile her, wenn ich an meine Ausbildung 1980 denke. Daher nutze ich diese Schulung, um unsere Leistungen in der modernen Haus- und Gebäudetechnik zu erweitern.“
Er will sich in die neue Technik einarbeiten, denn viele Kunden warten darauf, dass der Handwerksbetrieb Wärmepupen ausführt. Weil sich die jungen Kollegen mit dem Thema leichter tun, hat er zwei davon heute mitgebracht. „Es gibt viel zu tun. Doch um den Einbau von klimafreundlichen Wärmepumpen zu beschleunigen, braucht es Fachleute, die das auch machen.“ Die Bundesregierung plant den verstärkten Einbau: Bis 2030 sollen es sechs Millionen Wärmepumpen sein. Im vergangenen Jahr wurden gerade mal 150.000 geschafft, 2024 müssen es 500.000 sein.
Von Wasserkreislauf bis Hydraulik
Auf der großen Leinwand wechseln allerhand Folien, mal wird der innere Aufbau einer Wärmepumpe projiziert, dann Effizienzkurven, anschließend Varianten ober- und unterirdischer Hauseinführungen. Grundlagen zu Kältemittelkreislauf stehen heute genauso auf der Agenda wie Wasserkreislauf und Hydraulik. Mal geht es um Schicht-Pufferspeicher 300 bis 1000 Liter, Heizkreise und Trinkwasserverordnung, Anlaufdrehmomente und Spaltmaße, mal um Korrosion und Diffusion.
Warum bereiten Sauerstoffmoleküle in älteren Fußbodenheizungen Probleme? Was hat es mit Temperaturzonen im Schichtspeicher auf sich? Und wie gelingt die wöchentliche thermische Desinfektion, wenn kaum Brauchwasser entnommen wird? Verordnungen, Untersuchungen, Studien und Statistiken tauchen immer wieder auf. Ein Teilnehmer will etwas über behandeltes Wasser und die VDI-Richtlinie 2035 wissen.
„Gibt es neue Ideen oder alte Fragen“, fragt Christoph Lichtblau in die Runde. Der Akademieleiter von LG Electronics ist extra aus Eschborn angereist, um an diesem Tag als Referent aufzutreten. Er hat Fachwissen im Gepäck, das er mitunter humorvoll unterlegt und mit Beispielen aus der Praxis vermittelt. Warum wollen wir Rostbefall beim Wärmetauscher nicht haben? Wer kennt die Gradzahl, in der sich Legionellen im Tank wohlfühlen? Und woher kommt der Begriff historisch eigentlich? Gehen da bei euch die Alarmglocken an, was könnte passieren? Was tun wir für den Fall, dass wir draußen ein Frostproblem bekommen? Wie bekommen wir das in den Griff, was sind eure Vorschläge? Lichtblaus Schulung gleicht mitunter einem Quiz, an dem sich die Teilnehmer engagiert beteiligen. Eine seiner Einsichten lautet: „Alles muss passen und es ist nicht wenig, was passen muss.“
Fortbildung an sieben unterschiedlichen Wärmepumpen
Nicht nur anhand von Grafiken, Illustrationen und Fotos führt der Schulungsleiter gedanklich durch Vorgänge, Steuerungen und Sicherheitsaspekte wie das Drei-Wege-Ventil, den Abtauvorgang und die Brauchwasserherstellung. Vor allem nutzt er das Equipment in dem 200 Quadratmeter großen Warmschulungsraum. Um dem qualifizierten Fachhandwerk den sicheren Umgang mit einer auf hohem Niveau befindlichen Technik zu vermitteln, bietet Reisser gemeinsam mit LG die Fortbildung an sieben unterschiedlichen Wärmepumpen an. Die SHK-Fachleute können ihre Kenntnisse rund um die modernen und effizienten Heizsysteme auffrischen, vertiefen und ausbauen. Dabei sind die Wärmepumpen in Betrieb, am laufenden Projekt und am betriebsbereiten Produkt wird Know-how vermittelt.
Dampfeinspritzungstechnologie, Wirkungsgrad und Störmeldungen per App: Im Fokus steht die Praxis. „Was ist ein Backup Heater?“, will der Referent wissen und zeigt im Raum an eine bestimmte Stelle. „Da hängt er an der Wand, ein elektrischer Heizstab von 3 bis 9 kW Leistung. Welche Aufgaben hat er bei der Zuheizung ab minus 7 bis 25 Grad? Und warum sollte man den Notbetrieb nicht automatisiert starten?“
Vielfältige Lehrinhalte
Die Inhalte drehen sich um Nenndurchflussraten und Verrohrung, um die Sekundärseite der Wärmepumpe, um Primärkreislauf und Druckausgleichsbehälter. Was ist im Bestand gefordert? Was ist bei Privatgebäuden anders? Wie sieht die technische und physikalische Trennung bestimmter Komponenten aus? Das Seminar beinhaltet jede Menge Regelungstechnik, elektrische Aspekte, vielfältige Anforderungen. Ein Teilnehmer atmet laut auf und nickt – da war er wieder mal, so ein Aha-Moment…
Khaled Al Shafei ist bereits zum zweiten Mal bei einer Schulung im Energie Campus Tübingen mit dabei. Der Installateur und Heizungsbaumeister des gleichnamigen Meisterbetriebs in Reutlingen baut bereits Wärmepumpen anderer Hersteller ein, nun macht er sich über LG schlau. „Man lernt im Handwerk nie aus, das ist wie im richtigen Leben“, unterstreicht er. Seit 33 Jahren ist er in der Branche tätig und von den Schulungen begeistert. „Wir erfahren von A bis Z, wie die Anlagen eingebaut werden und alles funktioniert. Durch meine langjährige Erfahrung bin ich mit den fachlichen Anforderungen vertraut. Wärmepumpen finde ich sogar einfacher als fossile Heizungsanlagen. Der Hersteller gibt uns alle nötigen Infos – von Hydraulikplan bis Verdrahtung.“
Intensive Schulung in kleiner Runde
In den kleinen Gruppen mit maximal 15 Personen wird die Intensität der Schulung gewährleistet. Gerade haben sich die Teilnehmer im Halbkreis um den Monoblock 16 kW einphasig versammelt, manche knien vor dem Gerät, um noch bessere Einblicke zu haben. Der Referent will wissen, wofür der grün-gelbe Draht gedacht ist, ob man FI-Schalter verbauen kann, was es mit der Schieflastgrenze auf sich hat und warum die Wärmepumpe als geschlossenes System ohne Kupplungen agiert.
Er referiert über die internen Sicherheitsketten des Herstellers und zeigt an den Geräten die Details. Wie ist es mit Steck-Klemmblock, Noise-Filter-Platine, Inverter und störenden Oberwellen? Der Kreis über zweipoliges Spannungsnetzgerät, 400 Volt und Inverter der neuesten Generation schließt sich, wenn es um Aufstell- und Anlagebeispiele geht. Der Trainer mahnt: „In einem Kindergarten gelten höhere Sicherheitsstandards – falls ein Kind in der Pause draußen mit einem nassen Stock mal in die Wärmepumpe reinstochert.“
„Das Gerät sagt euch schon, was es braucht“
Neben umfassendem Fachwissen will Christoph Lichtblau den Teilnehmern auch Sicherheit geben. „Das Gerät sagt euch schon, was es braucht“, schmunzelt er und weiß, dass sich viel Stoff mit viel Freude am besten vermitteln lässt. „Es kommt einiges zusammen, damit die Installateure draußen im Feld wissen, was auf sie zukommt. Wir brauchen viel mehr Leute, die das lernen, sich auskennen, die wir auf einen idealen Wissensstand bringen und die das dann auch anwenden.“
Sein Wunsch ist es, Personen sowohl aus dem Heizungs- und Kälteanlagenbau als auch Handwerker aus dem Sanitärbereich zu motivieren. „Nur so lassen sich die Aufgaben der Zukunft bewältigen. Zu einem technischen Beruf gehört Interesse und die Bereitschaft, Neues zu lernen.“