Die weitaus meisten Photovoltaikmodule in Deutschland sind auf Dächern montiert. In die Gebäudehülle werden bislang nur die wenigsten integriert. Ein Forschungsprojekt unter der Leitung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) soll hier künftig für Fortschritte sorgen.
Zusammen mit Partnern aus Forschung und Industrie wollen die Wissenschaftler die für die Gebäudeintegration besonders geeignete CIGS-Dünnschichtphotovoltaik für Fassadenanwendungen optimieren. Ziel ist es, die auf Dächern und Freiflächen kommerziell erfolgreiche Technologie nun auch in diesen Markt zu bringen. Es stehen sowohl fertigungstechnische als auch systemtechnische Themen auf dem Programm. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
Die gebäudeintegrierte Photovoltaik („Building-Integrated Photovoltaics“, kurz BIPV) könnte vor allem bei größeren Gebäuden künftig einen Aufschwung erleben: Ab 2020 müssen alle neuen Nichtwohngebäude in der EU als „Niedrigstenergiegebäude“ gebaut werden, dürfen also fast keine Energie mehr für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung benötigen. Deutschland strebt zudem bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudesektor an. Ohne einen deutlichen Anteil von Solarenergie auch in der Fassade sind diese Ziele nur schwer zu erreichen. Architekten und Gebäudeplaner werden daher die Technologie verstärkt einsetzen, prognostizieren Fachleute und Wissenschaftler. Für die deutschen Hersteller von Dünnschichtmodulen und Produktionsanlagen eine Chance, einen Massenmarkt zu erschließen.
Der gebäudeintegrierten Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen
„Im Forschungsprojekt betrachten wir das gesamte System einer Dünnschichtphotovoltaik-Fassade“, erklärt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. „Wir optimieren das Moduldesign hinsichtlich Energieertrag, Schattentoleranz, Montagefreundlichkeit und Flexibilität der Modulgröße und passen es an die übrigen Systemkomponenten an.“ An den elektronischen Komponenten untersuchen die Forscher die Aspekte Sicherheit, Funktionalität und Zuverlässigkeit. Außerdem prüfen sie das energiewirtschaftliche Potenzial von CIGS-Fassaden im Hinblick darauf, wie der elektrische und thermische Energiebedarf auf Gebäudeebene gedeckt werden kann.
Das ZSW übernimmt die Auslegungsrechnungen, Labor- und Felduntersuchungen sowie die Erhebung von Betriebsdaten. Im Rahmen von Felduntersuchungen an der CIGS-Fassade am neuen Institutsgebäude in Stuttgart und auf dem Testfeld Widderstall führen die Forscher eine vergleichende Bewertung der verschiedenen Systemvarianten hinsichtlich Funktion und Ertrag durch. Die Betriebsdaten fließen ein in die Simulation möglicher Beiträge von CIGS-Fassadensystemen zur Deckung des elektrischen Energiebedarfs in verschiedenen Gebäudetypen. Auch hinterlüftete Photovoltaik-Doppelfassaden und Wärmepumpen werden in das Projekt einbezogen. Die optimierten Fassadenmodule und Systemkomponenten werden am Ende von den Projektpartnern hergestellt.
Solarfassaden können mehr als nur Energie gewinnen
Bislang befinden sich rund drei Viertel aller Photovoltaikanlagen auf Dächern, ein weiteres Viertel auf Freiflächen. Der Anteil der gebäudeintegrierten Anlagen bewegt sich im Promillebereich. Dabei sind die Vorteile enorm: Neben der elektrischen Energiegewinnung bietet die BIPV mit vergleichbarer Qualität die Funktionen klassischer Fassaden wie Schutz vor Wind und Wetter, Abschattung und Tageslichtnutzung, Schallschutz sowie Wärmedämmung. Die Energieeinsparverordnung EnEV belohnt die Anwendung zudem mit einer höheren Gebäudeklasse nach DIN 18599.
Bei der Nutzung von CIGS-Dünnschichtmodulen in der Fassade kommen ästhetische Vorteile hinzu: Die Module bieten die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie Glasfassaden, da ihre Zellstruktur anders als bei der Silizium-Photovoltaik kaum sichtbar ist, was homogene Glasflächen in dezenten Farben ermöglicht. Variable Modulgrößen, Sonderformen und flexible Bauteile stehen ebenfalls zur Verfügung.
Studien zufolge beträgt in Städten die für die BIPV zusätzlich ökonomisch nutzbare Fassadenfläche im Mittel etwa zehn Prozent der wirtschaftlich nutzbaren Dachfläche. Vor allem bei Gebäuden mit mehr als drei Geschossen ist oft mehr Platz an der Fassade als auf dem Dach. Die Kosten der integrierten Photovoltaik sind zwar höher als die der Aufdachmodule, doch wenn die Gebäudehülle sowieso neu erstellt wird, reicht eine Kostenbetrachtung aus, die die Mehrkosten gegenüber einer konventionellen Fassade einbezieht. Solarfassaden mit einer Amortisationszeit von zehn Jahren sind so möglich.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist die höhere Wertigkeit des Stroms aus Fassaden, da dessen Spitzenwert nicht unbedingt mittags, sondern je nach Orientierung in den Morgen- und Abendstunden liegen kann. Auf diese Weise lässt sich der Mittagspeak elegant vermeiden und eine gegebenenfalls vorgesehene Batterie für die Nachtstunden benötigt weniger Speicherkapazität. Hinzu kommt: Fassadenanlagen nutzen die tief stehende Sonne im Winter aufgrund ihrer vertikalen Ausrichtung gut. Zudem sind sie bei Schneewetterlagen gegenüber Dachanlagen im Vorteil, denn dann liefern sie gleichbleibenden Ertrag und erhöhen den solaren Eigenverbrauch. Eine große Chance also für die bislang nur verhalten genutzte Technologie.
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